Vampir Chronik 2
01 - Pandora
Anne Rice-Fans werden sich genauso gierig auf Pandora, die erste ihrer neuen Vampir-Chroniken, stürzen wie die Vampirgemeinde auf einen unberührten Hals. Die Heldin unserer Geschichte, Pandora, ist die Tochter eines römischen Senators zurzeit Kaiser Augustus'. Nach dem Mord an ihrer Familie flieht sie nach Antiochia und stößt mit dem Okkultismus des Orients auf das Gegenmittel gegen den strengen römischen Rationalismus. "Irgendetwas hat es auf meine Vernunft abgesehen", schreibt sie. "Genau das, was die römischen Kaiser an den ägyptischen und orientalischen Kulten so gefürchtet hatten, hat mich nun überrollt: Geheimnisse und Gefühle, die sich über Vernunft und Gesetz erheben."
Pandoras erotischer Eintritt in das Vampirdasein findet statt, als sich der schöne Marius (der später Anne Rices berühmter Vampir Lestat in sein Amt einführen sollte) in ihren Hals verbeißt. Pandora erzählt im Paris der Gegenwart die Geschichte eines netten römischen Mädchens das zum Vampir wird, aber vor allem schwelgt das Buch in den Bildern und den Klängen (und den philosophischen Aderlässen) der Antike. Pandora lässt sich eher mit Robert Graves' erhabenem Ich Claudius, Kaiser und Gott vergleichen als mit Rices The Complete Vampire Chronicles. Dennoch ist Pandora eine logische Fortsetzung von Anne Rices bisherigem Werk und die Protagonistin eine Mischung aus vergangenen Vampirhelden und der erschreckend bloßstellenden autobiografischen Heldin von Violin, Rices früherem Roman.
Violin ist bemerkenswert vertrackt, fängt jedoch die heftige Leidenschaft, die Rices beste Arbeiten beherrschen, vorzüglich ein -- Rice selbst spricht von einer "Untersuchung über den Schmerz". Genau genommen ist Pandora eine dramatisierte Debatte zwischen Leidenschaft und Vernunft -- die Heldin spricht von "männlicher Vernunft". Sie macht sich über ihren vampirischen Mentor lustig: "Marius hütete seine ihm so teure Rationalität wie eine Vestalin eine heilige Flamme. Immer wenn ein ekstatisches Gefühl über mich kam, teilte er mir auf unmissverständliche Weise mit, es sei irrational, irrational, irrational!" (Wie nah Pandoras Stimme an die ihrer leidenschaftlichen Schöpferin kommt wird auf der Audiokassette Interview with Anne Rice vorzüglich demonstriert.)
Rice hat auch diesmal ausgiebig recherchiert und ihre Erzählkunst so mit Leben erfüllt. Nicht einmal ihr chronisches Dritter-Akt-Problem vermag es, diesen flotten Erzählfluss zu bremsen. Pandora ist nicht nur von Blutgier, sondern auch von Wissensdurst befallen und lässt erahnen, mit welcher Lust Anne Rice geschichtliches Wissen in sich aufnahm. "Es ist eine Freude, diese verrückten Gnostiker zu lesen!", frohlockt Pandora in der frühchristlichen Zeit. Diese verrückte Pandora zu lesen ist auch eine Freude. Anne Rice hat schon lange nicht mehr so viel Spaß gemacht! --
02 - Vittorio
Der Titelheld ist der verwöhnte Sohn einer reichen und mächtigen Familie im Florenz des 15. Jahrhunderts. Im Alter von 16 Jahren liegt ein Leben vor ihm, das viel versprechender nicht sein könnte. Doch dann muss er mit ansehen, wie eine Horde von Vampiren seine ganze Verwandtschaft niedermetzelt und nur ihn verschont. Die wunderschöne Vampirin Ursula hat sich in ihn verliebt und möchte ihn auf ihre Seite ziehen. Vittorio ist hin und her gerissen zwischen der unwiderstehlichen Frau und dem Verlangen nach Rache für die grausamen Morde, die ihresgleichen begangen haben.
Vittorio wird als Romeo und Julia der Vampire vermarktet, und das ist nicht ganz falsch. Im Zentrum der Handlung steht eine Liebesgeschichte, fast unerträglich tragisch und mit allen erotischen Konnotationen versehen, die zum Markenzeichen dieser Autorin geworden sind. Und Anne Rice hat -- nach einigen Büchern, die sich gefährlich der 1.000-Seiten-Marke näherten -- etwas begriffen, das viele ihrer Kollegen anscheinend überfordert: Eine bestimmte Geschichte ist für eine bestimmte Länge gut, und nicht mehr. Vittorio ist mit gut 300 Seiten maßgeschneidert. --Felix Darwin
(Quelle: www.amazon.de)